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medieninformatik 1
#mediendesign 1
Projekt: Das Gefängnis der Freiheit. Die Geschichte der Tausendundelften Nacht
Ein blinder Bettler erzählt dem Kalifen in Bagdad aus seinem Leben.
Als er jung war, gaukelte ihm ein Grieche durch eine listige Beweisführung vor, es gebe einen freien Willen und die Menschen könnten sich aus eigenem Ermessen für Gut oder Böse entscheiden.
Eines Tages begegnete er einer wunderschönen Tänzerin, die bereit war, sich ihm hinzugeben, sobald er schwor, nur seinem eigenen Willen zu folgen. Er schwor es beim Allmächtigen, aber das akzeptierte sie nicht, denn wenn Gott allmächtig wäre, könnte der junge Mann sie nicht aus eigenem Antrieb begehren. Er lachte über die Spitzfindigkeit und schwor bei seinem Augenlicht. Daraufhin ließ die Schöne einen Schleier nach dem anderen fallen, und als sie nackt zu ihm trat, sah er ihre lange, gespaltete Zunge und die senkrechten, grün glimmenden Pupillenschlitze. Iblís hatte ihn in ihrer Gewalt!
In einem Kuppelraum kam er wieder zu sich. Eine körperlose Stimme erklärte ihm, dies sei der einzige Allahs Willen entzogene Ort des Universums. Mit diesem Tempel der Auflehnung verhalte es sich wie mit einer Luftblase im Ozean, die kein Meersalz enthält.
"Es kann mich auch gar nicht geben. Ich will es dir beweisen. Denn gäbe es mich, so nur durch den Willen des Allmächtigen. Doch kann Er das Böse nicht wollen, sonst wäre Er selbst böse. Oder ich existiere gegen Seinen Willen, dann wäre Er nicht allmächtig, sondern selbst nur ein Teil und ich Sein Gegenteil."
In dem kreisrunden Raum sah er Dutzende gleicher Türen. Die Stimme sagte, er könne durch eine davon hinausgehen, aber nicht wissen, was ihn dahinter erwarte und er werde auch nie herausfinden, was hinter den anderen Türen gewesen wäre. Der Gefangene konnte sich nicht entscheiden, auch nicht, als ständig Türen verschwanden und schließlich nur noch zwei Türen übrig blieben. Wie Buridans Esel schwankte er zwischen beiden Möglichkeiten, und als nur noch eine Tür existierte, wusste er nicht, ob er bleiben oder gehen sollte. Erst als auch die letzte Tür verschwunden war, fühlte er sich vom Zwang zur Entscheidung erlöst.
Da unterwarf er sich wieder Allahs Willen -- und erwachte als blinder Bettler unter dem Stadttor von Bagdad.
Kommentar
In dieser einen der acht rätselhaften Erzählungen geht es um Räume, Wege und Freiheit. Aber nicht der Inhalt, sondern die dichterische Kreativität Michael Endes macht den Reiz dieser Geschichten aus.
Wir Leserinnen und Leser sitzen vor einem aufgeschlagenen Buch; da ist nichts außer Papier und Druckerschwärze, aber die Lektüre verschafft uns die Illusion surrealer Welten. Michael Endes Fantasie kreist um die Frage, ob es hinter verschiedenen Türen andere Universen gibt.
"Seit meiner Knabenzeit bewegt mich in zunehmendem Maße der Gedanke, dass unsere sogenannte Realität nur das Parterregeschoss, um nicht zu sagen die Hausmeisterwohnung in einem ungeheuren Bauwerk mit zahllosen Stockwerken nach oben und wohl auch nach unten ist." (Das Haus an der Peripherie)
Michael Ende
Nachdem er 1945 dem Krieg entgangen war, zog der Sohn des surrealistischen Malers Edgar Ende 1947 nach Stuttgart, um auf die Waldorfschule gehen zu können.
Er zählt zu den beliebtesten und erfolgreichsten deutschsprachigen Autoren des 20. Jahrhunderts. Seine Bekanntheit verdankt er vor allem dem großen Erfolg seiner Kinderbücher und ihren Helden, die mit ihrem einnehmenden Charakter zur Identifikation einladen und den Leser in fremde Welten voller visionärer Symbolkraft entführen.
Manche seiner Werke lassen sich als die Übertragung der Anthroposophie Rudolf Steiners in die kindliche Vorstellungswelt interpretieren, so z.B. Momo und Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch.
Michael Ende, geb. 1929, gest. 1995 war zeitlebens auf der Suche nach dem "Zauberwort", das eine neue Sichtweise auf unsere Welt ermöglicht und diese so wieder etwas bewohnbarer macht.
Zitate
Man darf von jeder Tür aus in den literarischen Salon treten: aus der Gefängnistür, aus der Irrenhaustür oder aus der Bordelltür. Nur aus einer Tür darf man nicht kommen, aus der Kinderzimmertür.
Auf einem Dampfer, der in die falsche Richtung fährt, kann man nicht sehr weit in die richtige Richtung gehen.
Es gibt ein großes und doch ganz alltägliches Geheimnis. Alle Menschen haben daran teil, jeder kennt es, aber die wenigsten denken je darüber nach. Die meisten Leute nehmen es einfach so hin und wundern sich kein bisschen darüber. Dieses Geheimnis ist die Zeit.
Kinder- und Jugendbücher
* Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer (1960)
* Jim Knopf und die Wilde 13 (1962)
* Das Schnurpsenbuch (1969)
* Tranquilla Trampeltreu die beharrliche Schildkröte (1972)
* Momo (1973)
* Das kleine Lumpenkasperle (1978)
* Das Traumfresserchen (1978)
* Lirum Larum Willi Warum (1978)
* Die unendliche Geschichte (1979)
* Der Lindwurm und der Schmetterling oder Der seltsame Tausch (1981)
* Die Schattennähmaschine (1982)
* Filemon Faltenreich (1984)
* Norbert Nackendick (1984)
* Ophelias Schattentheater (1988)
* Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch (1989)
* Die Geschichte von der Schüssel und vom Löffel (1990)
* Lenchens Geheimnis (1991)
* Der lange Weg nach Santa Cruz (1992)
* Der Teddy und die Tiere (1993)
* Die Zauberschule im Wünschelreich (1999)
* Vom Wunsch aller Wünsche und andere Geschichten (1999)
* Die Rüpelschule (2002)
Sonstige Werke
* Die Spielverderber, (Theaterstück, 1967)
* Edgar Ende (1971)
* Das Gauklermärchen (Theaterstück, 1982)
* Mein Lesebuch (Anthologie, 1983)
* Der Spiegel im Spiegel. Ein Labyrinth (Surrealistische Texte, 1984)
* Der Goggolori (Eine bairische Mär, Stück in acht Bildern, 1984)
* Die Archäologie der Dunkelheit (1985)
* Trödelmarkt der Träume (Mitternachtslieder und leise Gedichte, 1986)
* Die Jagd nach dem Schlarg. Variationen in Lewis Carrolls gleichnamigem Nonsensgedicht. (Libretto, 1987)
* Kunst und Politik - ein Gespräch von Joseph Beuys/Michael Ende (1989)
* Das Gefängnis der Freiheit (Erzählungen, 1992)
* Der Rattenfänger (1993)
* Die Vollmondlegende (Bilderbuch für Erwachsene (1993)
* Michael Endes Zettelkasten. Skizzen und Notizen (1994)
* Der Niemandsgarten . Aus dem Nachlass (1998)
Edgar Ende
"Die moderne Kunst", schreibt Edgar Ende in seinen autobiographischen Schriften, "führt zu neuen, nie bewusst betretenen Gefilden. Ein Abenteuer ist die Kunst, ein Vorstoß ins Unbekannte, eine Begegnung mit Dämonen und Engeln."
Sein Werk ist deshalb der Tradition der so genannten visionären Kunst zuzuordnen und weist Entsprechungen zum Magischen Realismus und zur Neuen Sachlichkeit auf, auch wenn sein Werk diesen Richtungen, wie im Übrigen dem Surrealismus, nicht zuzuordnen ist. Kein Symbolismus also, keine sinnbildliche Darstellung von abstrakten Themen oder anderen Erscheinungen der Realität.
Edgar Endes Malerei stellt keine Auseinandersetzung mit der realen Welt und ihren kulturellen, sozialen oder historisch bedingten Strukturen dar, sondern ein Eindringen in den Kosmos geistiger Welten.
Visionäre traditionelle Kunst
Die Ideen zu seinen Bildern entstehen in einer "Dunkelkammer", in die sich der Maler zurückzieht, um sich auf die Visionen in seinem Inneren zu konzentrieren. Zu diesem Zweck dunkelt er sein Atelier manchmal für mehrere Tage ab und wartet, sitzend oder auf einem Sofa liegend, bis Bilder vor seinem inneren Auge entstehen. Diese skizziert er dann mit Bleistift. Doch nicht alle dieser Skizzen werden sofort zu Bildern verarbeitet, sondern erst einmal beiseite gelegt, um Monate oder Jahre später wieder verwendet zu werden.
Michael Ende greift die Gedankenwelt des Vaters in verschiedener Weise auf (siehe Ende/Krichbaum 1985). Besonders deutlich zeigt sich dies in seinem Buch Der Spiegel im Spiegel, das eine Sammlung surrealistischer Texte zu Bildern von Edgar Ende darstellt.
http://edgarende.de/Werk/index.htm
Schließe die Augen, um das wahre Bild mit dem geistigen Auge wahrzunehmen und das, was du siehst, ans Licht zu bringen. Denn bei der geringsten Unaufmerksamkeit, beim geringsten Erlahmen der "Geistesgegenwart" bräche sofort wieder das normale Tagesbewusstsein mit seinem Wirbelspiel von Gedanken und Worten in die Stille ein
weil ich ein Missverständnis verhindern möchte, das den Bildern von Edgar Ende sehr häufig widerfährt, nämlich, dass sie symbolische oder allegorische Darstellung irgendeines abstrakten Gedankens seien
Inmitten dieser Bilder der 20er/30er Jahre war der Sohn Michael zwischen seinem 2. und 11. Lebensjahr herangewachsen. Aus den kindlich geprägten Eindrücken entstand 20 Jahre später die Literatur, die die internationale Lesewelt mit "Jim Knopf", "Momo", der "Unendlichen Geschichte" oder dem "Wunschpunsch" kennen lernte.
Nicht, indem ich das Bild beschrieb, sondern indem ich einfach versuchte, das, was er auf dem Bild gemalt hatte, eben auf eine andere Weise zu machen.
Auf alle religiös mythische Kunst reagierte ich sofort
Die Kunst seines Vater war für Michael Ende der Ausgangspunkt zum eigenen poetischen Konzept. Edgar und Michael Ende sind zwei Ausnahmeerscheinungen, die nur gemeinsam wirklich begriffen werden können. Wie bei dem Phänomen des Spiegels, der sich in einem Spiegel spiegelt: Niemand kann wirklich erkennen, welcher Spiegel sich da in welchem Spiegel widerspiegelt.
http://edgarende.de/Literatur/index.htm
http://edgarende.de/Literatur/Arch%E4ologie.htm
http://edgarende.de/Literatur/Literatur1.htm
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